Ein Artikel von Dipl.-Sportlehrer Markus Weber

In den letzten Jahren hat es einen deutlichen Hype um den Begriff „Achtsamkeit“ gegeben. Bald schon wird er als Siegeszug durch die westlichen Medien bezeichnet.

Das heißen so manche Achtsamkeits-Coaches und Zen-Meister für schlecht, da Achtsamkeit inflationär verwendet und dadurch verwässert wird: „dafür ist Achtsamkeit zu schade“¹. Wo man ihnen recht geben muss.

Der positive Aspekt aber ist, dass der Begriff Achtsamkeit mit seiner Bedeutung äußerst wichtig für unsere aktuell schnelllebige Zeit ist. Achtsamkeit ist aber nichts Neues, denn seit Tausenden von Jahren dient das Achtsamkeitstraining der menschlichen Reifung und Bewusstseinsentwicklung.

Was bedeutet der Begriff „Achtsamkeit“?

Achtsamkeit wird häufig mit Aufmerksamkeit (im Sinne von Beobachtungsfähigkeit) gleichgestellt, aber Aufmerksamkeit ist nach außen gerichtet, Achtsamkeit nach innen; und genau das macht Achtsamkeit zu einem machtvollen Instrument.

„Achtsamkeit ist eine Qualität des menschlichen Bewusstseins, eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Es handelt sich dabei um einen klaren Bewusstseinszustand, der es erlaubt, jede innere und äußere Erfahrung im gegenwärtigen Moment vorurteilsfrei zu registrieren und zuzulassen“².

Die Sportwissenschaftler der Humboldt Uni zu Berlin finden folgende Definition4: Achtsamkeit wird hier definiert als ein „nichtbewertender Fokus der eigenen Aufmerksamkeit auf die augenblickliche Erfahrung. Das Ziel dabei ist ein Verweilen im Hier und Jetzt ohne die empfundenen Gefühle, Gedanken oder Wahrnehmungen zu bewerten“. Gerade letzteres Wort ist der entscheidende Punkt: Das Nicht-Bewerten. Genau da liegt die große Schwierigkeit beim Achtsamkeitstraining, da wir in unserem Alltag darauf fokussiert sind, Dinge schnell zu bewerten und in Schubladen zu schieben.

Was bewirkt nun das Achtsamkeitstraining?

In den Ausführungen der Humboldt Uni zu Berlin4 heißt es, dass die Ergebnisse von Evaluationsstudien zeigen, dass das achtsamkeitsbasierte Training sowohl in klinischen als auch in nicht-klinischen Populationen zur Reduzierung von Stress, Angst und Depression führe sowie einen effektiven Umgang mit Emotionen schult.

Warum funktioniert es nun, dass sich ein achtsamer Mensch weniger stressen lässt?

Im unserem letzten Newsletter vom August haben wir von der Schnelllebigkeit unserer heutigen Gesellschaft geschrieben. Viele haben keine Zeit mehr für sich selbst und auch für ihre Kinder. Die Eltern sind gestresst, und das überträgt sich auch zunehmend auf die Kinder. Achtsamkeit trainiert zunächst einmal, durch Beobachtung zu verstehen, wie man selbst funktioniert, wie Gedanken, Gefühle, Stimmungen und Emotionen zusammenhängen. Es schult also die Wahrnehmung dafür, was in einem und um einen herum vor sich geht. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, besser mit Stress umgehen zu können. Stress lässt sich nicht immer vermeiden, das gehört zu unserem täglichen Leben. Zudem ist Stress nicht grundsätzlich negativ, auf das Maß und die Verarbeitung kommt es an. Und negativer Stress hat viel mit Unbewusstheit und automatisierten Reaktionen zu tun.

„Ein beruhigter klarer Geist ermöglicht es dem Praktizierenden, sein Stressverhalten zu analysieren und aufflackernde Reaktionen rechtzeitig zu stoppen.“²

Stress hat somit auch viel mit Geschwindigkeit zu tun. Mit Hilfe eines achtsamen Gewahrseins können wir die Dinge entschleunigen und erhöhen so unsere Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, dass es in meinen Möglichkeiten steht, eine Situation zu meistern. Zen-Coach Kothes umschreibt das neue Stressempfinden so: „Ich war viel gelassener mit einer Selbstdistanz, die mir ermöglicht hat, wahrzunehmen, was passiert.“³

Oft kommen Verhaltensmechanismen, in denen Menschen mit wenig Achtsamkeit mit sich selbst und ihren Gefühlen umgehen, schon aus der frühen Kindheit.

Man bekommt beispielsweise als Kind Aufmerksamkeit und Zuneigung, wenn man sich angepasst und besonders lieb verhält. Dieser Mechanismus wiederholt sich so oft, dass dieser im Lauf des Heranwachsens ein Verhaltensmuster wird. Oft führt das dann dazu, dass man dieses Verhaltensmuster auch in der Beziehung und im Job anwendet: Ich bekomme Aufmerksamkeit und Anerkennung, wenn ich Freitagnachmittag noch Aufgaben annehme oder nach Feierabend noch länger bleibe, um liegen gebliebene Arbeiten fertig abzuschließen. Problematisch wird es, wenn man hierbei gegen seine eigenen Bedürfnisse und Gefühle handelt.

Achtsamkeit hilft, diese Muster aufzudecken, da die Leute lernen, auf ihre eigenen Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen zu hören.

Das impliziert dann auch, Nein-Sagen zu lernen und dabei zunächst negative Emotionen und Gefühle auszuhalten.

Abschließend möchten wir die treffende Sichtweise der Achtsamkeit von Peter Riedl anführen:

„Achtsamkeit kann ein Schwert im eigenen Inneren sein, mit dem ich meine Gedanken und Gefühle ordne und mir klarmache, wie es wirklich ist.“¹

In diesem Sinne: sei achtsam mit Dir und es wird Dir besser gehen. Trainiere dies jeden Tag, indem Du kurz inne hältst und Dich auf Dich selbst, Deine Gefühle und Empfindungen konzentrierst.

Literatur:
• Riedl, P.: Herausgeber der Zeitschrift „Ursache und Wirkung: Achtsamkeit und Stressbewältigung“. Winter 2014.
• Kirch, D.: „Beobachten, fühlen, entspannen.“ In: Zeitschrift Ursache und Wirkung. Ausgabe Winter 2014
• Kothes, P.: Eine ganze Woche rumsitzen? – das war eine einzige Katastrophe.“ In: Zeitschrift Ursache und Wirkung. Ausgabe Winter 2014
• https://www.spowi.hu-berlin.de/de/institut/sportpsychologie/fuer-die-praxis/achtsamkeit-im-leistungssport

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