Welches Fahrrad passt zu mir?

Ein Artikel von Judith Riemer

Vor einigen Wochen überkam mich urplötzlich die Lust, mich mal wieder auf ein Fahrrad zu schwingen und einfach loszusausen. Den Alltag hinter mir zu lassen und den Fahrtwind im Gesicht zu spüren. Der einzige Haken dabei: Ich hatte kein Fahrrad.

Und soviel sei vorweggenommen: Ich habe immer noch keines.

Aber ich konnte mir eines ausleihen. Qualitativ nicht besonders hochwertig, aber für meine Ansprüche würde es doch genügen. Oder?

Naja, ich würde sagen: Nein. Um nach 15 Jahren ohne Fahrrad wieder ein Gespür dafür zu bekommen, wie es ist, wenn man statt auf 2 Beinen auf 2 Rädern unterwegs ist, reichte es aber aus. Und es reichte aus, um in mir das Gefühl zu wecken, dass ich davon gerne mehr hätte. Ganz zu schweigen von einem eigenen Rad.

Gefühlte 326 Besuche in verschiedenen Fahrradgeschäften, 2 gelesene Mountainbike-Zeitschriften und unzählige Recherchestunden im Internet später, stellte ich fest: Es hat sich ganz schön was getan in den letzten Jahren. Wo es früher ein City-Bike und ein Mountain-Bike gab, stehen jetzt Downhill-Räder, Enduro-Bikes, Fat-Bikes, Trekking-Räder, E-Bikes und viele mehr.

Ich fühlte mich überfordert und tat das einzig Richtige: Ich rief jemanden an, der sich damit auskannte. Sven Manhard aus Pfronten betreut mit seinem Sportgeschäft das „Bikefit-Projekt“ des Diagnostikzentrums in Pfronten und wenn sich einer mit Einsteigern in die Rad-Welt auskennt, dann er. Meine wichtigsten Fragen konnte er mir direkt telefonisch beantworten und das war sehr aufschlussreich für mich.

Unser Telefon-Interview

Judith:
Sven, ich durfte feststellen, dass es inzwischen es eine gigantische Auswahl an verschiedensten Typen von Mountainbikes und allgemein an Rädern gibt. Vorne und hinten gefedert (Fully), nur vorne gefedert (Hardtail), Enduro- und Downhill-Bikes, 26“-Räder, 29“-Räder … als Neuling kann man da leicht den Überblick verlieren. Was würdest du sagen, ist das Wichtigste, auf das ich achten sollte beim Kauf eines neuen Mountainbikes?

Sven:
Bevor ich auf die verschiedenen Typen der Räder eingehe, ist wichtig, dass du dir selbst klar wirst, wofür du das Rad verwenden möchtest. Wie soll es eingesetzt werden, was machst du mit dem Rad? Bist du eher Gelegenheitsfahrerin oder willst du übertrieben ausgedrückt doch mal die Alpen überqueren? Auf welchem Untergrund willst du fahren – Asphalt, Schotter oder über Wald & Wurzeln? Das sind Fragen, die du dir am besten schon vor deinem ersten Besuch im Radgeschäft selbst beantwortest. Nun zu den verschiedenen Typen, die du angesprochen hast:

Ein Hardteil-Mountainbike ist nur vorne an der Gabel gefedert und für die meisten Einsteiger ins Mountainbiking völlig ausreichend. Es ist ein sportliches, leichtes Rad, das sich unkompliziert z. B. auch auf Forstwegen fahren lässt. Der Wartungsaufwand ist relativ gering.

Ein sogenanntes Fully ist sowohl vorne als auch hinten gefedert und bietet um einiges mehr an Komfort als ein Hardtail, wenn du dort fährst, wo es richtig rumpelt, also über Wurzeln, Steine & Co. Außerdem macht ein Fully durchaus Sinn, wenn du vorhast lange Touren über 5-6 Stunden zu fahren oder aber auch, wenn du Probleme mit der Wirbelsäule hast.

Die beiden letzten Typen, das Enduro und das Downhill-Bike, sind beides Fully’s, aber spezielle Typen. Das Enduro hat mehr Federweg (ca. 150 – 160 mm) als ein Touren-Fully (ca. 120 mm Federweg) und ist eher abfahrtsorientiert. Mit einem Enduro bergauf zu fahren kann anstrengender sein als mit einem anderen Bike.

Das Downhill-Bike ist, wie es der Name schon sagt, für’s Bergabfahren gemacht. Du fährst mit dem Lift nach oben und hast dann das richtige Rad, um den Berg hinunter zu fahren. Das Downhill hat noch mehr Federweg als die anderen Räder und wird auch im Rennsport (Downhill-Rennen) eingesetzt.

Was die Laufräder angeht, so gibt es nicht nur 26“ und 29“-Räder – es gibt noch eine dritte, relevante Variante: die 27,5“ – Räder. Ganz grob gesagt, kann man es so einteilen:

26“-Räder findet man nur noch im Kinder- und Jugendbereich
27,5“-Räder eignen sich für kleinere Personen und die 29“-Räder besser für größere Menschen ab ca. 1,70 m, wobei das auch recht individuell ist und nicht auf den Zentimeter festgelegt werden kann. Denn sowohl die 27,5er als auch die 29er sind sportlich orientiert und haben einfach mehr Grip beim Bremsen und in den Kurven. Das 29er rollt leichter, dafür ist das 27,5er kompakter und wendiger. Auch hier kommt es wieder drauf an, was man mit dem Bike vorhat. Legst du eher Wert auf leichteres Rollen oder hast du vor, enge Single-Trails und Serpentinen zu fahren?

Judith: Ich habe gesehen, dass man sich ein Rad auch im Internet zusammenstellen und bestellen kann. Und teilweise sind die Preise auch günstiger als beim Händler vor Ort. Wie wichtig ist eine individuelle Beratung und was sollte diese unbedingt beinhalten?

Sven: Das, was das Internet nicht in dem Maße bieten kann, wie der Fachhändler vor Ort, ist das Eingehen auf den Kunden. Das Beratungsgespräch, in dem geklärt wird, was genau der Kunde mit dem Rad tun möchte, ist durch nichts zu ersetzen. Im Gespräch klären wir z. B. wie der Kunde auf dem Rad sitzen möchte – eher aufrecht oder doch lieber weiter nach vorne geneigt? Auch hier ist wieder der Einsatzzweck wichtig. Flachland oder ab in die Berge? Je nachdem muss ein anderer Rahmen gewählt werden oder Sattel und Lenker werden getauscht. Das Rad wird auf den individuellen Fahrstil des Kunden eingestellt. Entscheidend ist aber immer die Probefahrt. Und die kann dir das Internet einfach nicht bieten.

Judith: Die Preisspanne bei Mountainbikes reicht von ca. 300 Euro bis weit in den fünfstelligen Bereich. In welchem Bereich sollte ich mich preislich bewegen, wenn ich ein ordentliches Mountainbike haben möchte, dem ich auch in punkto Sicherheit vertrauen kann und wo sind die Unterschiede zum günstigen Bike?

Sven: Ein vernünftiges Hardtail-Mountainbike für Einsteiger bekommt du, um einen groben Rahmen zu nennen, für ca. 700 – 1.000 Euro. Wenn du weniger investierst, hat dein Rad ein höheres Gewicht und die Qualität der Komponenten wie Bremsen und Federgabel ist minderwertig, was zu Lasten der Sicherheit geht. Ab 1.000 Euro aufwärts werden die Räder leichter und auch die Einstellmöglichkeiten und die Qualität der Anbauteile nehmen zu. Diese Räder sind für einen regelmäßigen Einsatz gebaut und haben dementsprechend auch eine höhere Lebensdauer.

Judith: Wie genau sieht die Beratung bei Sport Manhard beim Fahrradkauf aus und wie unterstützt ihr das Bikefit-Projekt in Pfronten?

Sven: Uns ist es wichtig, gemeinsam mit dem Kunden zu klären, in welche Richtung der Kunde möchte. Wir zeigen ihm mehrere Möglichkeiten und zusammen sehen wir dann, wo es schlussendlich hingeht. Natürlich haben wir Fahrräder verschiedenster Typen, damit einer Probefahrt nichts im Wege steht. In Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Herstellern, können wir dem Kunden auch ein customized-Bike bieten, also ein Rad, das nach seinen individuellen Wünschen gefertigt wird. In diesem Bereich arbeiten wir u.a. mit dem Vorarlberger Radhersteller Simplon zusammen, der uns das gewünschte Rad innerhalb von 5 Werktagen liefert.

Unser Sportgeschäft ist übrigens der Treffpunkt für jede Bikefit-Ausfahrt und bevor es zur nächsten Tour losgeht, haben die Bikefit’ler die Möglichkeit uns kleinere Probleme zu melden. Wir stellen dann schon mal die Gangschaltung ein oder legen nochmal schnell Hand ans Rad, bevor es losgeht. Außerdem gibt es im Rahmen des Bikefit-Programms einen Workshop, bei dem wir den Teilnehmern zeigen, wie sie selbst die Laufräder wechseln können, wie sie einen Platten reparieren oder wie sie sich verhalten, wenn während der Tour etwas mit dem Rad nicht mehr stimmt. Sie lernen, ihre Schaltung richtig einzustellen und die optimale Sattelposition herzurichten. Und zu guter Letzt haben sie auch die Möglichkeit, bei uns ein Highend-Bike zu testen. Das ist die passende Kombi aus Technik, Wissen & Spaß.

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Es ist wohl wenig verwunderlich, dass ich nach diesem Interview direkt einen Termin für ein persönliches Kennenlernen und Probefahren vereinbart habe. Sven hat sich sehr viel Zeit genommen und ich habe soviel erfahren, dass ich eigentlich einen zweiten Blog-Artikel schreiben müsste. Wusstet ihr, dass die meisten Radfahrer den Sattel zu tief gestellt haben? Und auch in Sachen Gangschaltung und Lenker gibt es so viele Einstellmöglichkeiten – ohne Fachmann (wenn man nicht grad selber einer ist), wird das unübersichtlich. Daher ein großes Danke an Sven und sein Sport Manhard-Team – ich habe selten so viel in so kurzer Zeit gelernt und außerdem noch eine spaßige Probefahrt mit einem schönen Rad gemacht. Und hier gibt es für euch ein paar Bilder davon.

 

Mehr zu Sven und seinem Sportgeschäft sowie dem Bikefit-Projekt findet ihr hier:

Facebook: Sport Manhard
Facebook: Bikefit – Fit in Pfronten
Webseite: Sport Manhard
Webseite: Bikefit

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