„Wer sich zu 35 Prozent von Fett ernährt, hat ein niedrigeres Sterblichkeitsrisiko als jene, die weniger Fett konsumieren“,

beginnt das Ärzteblatt den Artikel, in dem es um neue Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ging. Doch hat sich an deren Empfehlungen wirklich etwas verändert? Hat das Kohlenhydratdogma der DGE nun endlich ein Ende?

Eine fettbewusste Ernährung zu favorisieren ist nicht erst eine Erscheinung der letzten Jahre oder gar Jahrzehnte. „Bereits 1969 löste William Banting eine ganz Europa erfassende Diätwelle mit seiner deutlich kohlenhydratarmen Kost aus“, beginnt Dr. Purucker. Fast 100 Jahre später griff Atkins dieses Ernährungskonzept wieder auf und erreichte damals eine enorme Medienpräsenz. Es war anfangs wissenschaftlich verpönt wegen angeblich ungünstiger Wirkungen auf den Cholesterinstoffwechsel. „Anfang dieses Jahrtausends lieferten dann aber mehrere kontrollierte Studien den Nachweis, dass kohlenhydratreduzierte Kost nicht nur wirksam und unbedenklich, sondern sogar günstig hinsichtlich kardiovaskulärer Risikofaktoren des Fett- und Glukosestoffwechsels sind.“ so Purucker weiter.

Und was macht die DGE: Zumindest haben sie 2017 die Warnung vor einem erhöhten Risiko für Übergewicht durch Fett beziehungsweise für Herz-Kreislauferkrankungen durch gesättigte Fettsäuren gestrichen. Was sich aber nicht geändert hat war der Kohlenhydratanteil von mehr als 50 %. Das bringt Fachärzte wie Dr. Schätzler in Rage: „Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollte mit ihrem bisherigen ‚Fettaugen-Zählen‘ bzw. ihren Low-Fat- und High-Carb-Strategien, welche sie entgegen allen Low-Carb- und High-Fat-Experten-Voten (stellvertretend Prof. Nicolai Worm) nahezu postfaktisch mit Vehemenz vertreten hatte, zunächst einmal herbe Selbstkritik leisten. Denn dass die DGE mit ihren 10-Punkte-Regeln auf einen fahrenden Zug aufspringen, zugleich bei PURE-Detailkritik aber punkten will, spricht für fehlende Einsicht und Reflexionsfähigkeit bei gleichzeitig unangemessener Selbstüberschätzung.“

In der bisherigen Ernährungsmedizin werden (vorgegeben von der DGE und den Fachgesellschaften) 15-20 % Eiweiß, 25 bis maximal 30 % Fett und 55-60 % Kohlenhydrate empfohlen. Doch diese Nährstoffempfehlungen werfen einige Fragen auf: Die Amerikaner haben es unlängst geschafft, systematisch die Fette in ihren Lebensmitteln zu reduzieren. Massenhaft waren dort in den Discountern fettreduzierte und teilweise Lebensmittel ohne Fettgehalt zu finden. Und in welchem Land fanden wir die größte Anzahl an fettleibigen Menschen? Doch hier findet bereits ein Umdenken statt.

Der Urzeitmensch ernährte sich zu mageren Zeiten vorwiegend von Beeren, Pilzen, Zellulose (genießbaren Grünfutter) und Wurzeln. Wenn er einmal ein Säugetier erlegte, konnte er teils große Mengen an Fleisch verzehren. 30 Kilometer Bewegung täglich zum Sammeln und Jagen waren in diesen Zeiten normal. Erst als der Mensch sesshaft wurde und begann, Getreide anzubauen, wurde die Kost kohlenhydratreicher und der Alltag bewegungsärmer. Zu dieser Zeit finden sich die ersten Statuen beleibter Menschen. Bis in die Nachkriegszeit des ersten Weltkrieges war es keine Selbstverständlichkeit, immer ausreichend Essen zu bekommen. Da Kartoffel und Getreide und somit Brot billig waren und eine gute Sättigung beschwerten, waren die Kohlenhydrate bis in die Nachkriegszeit eine wichtige Mahlzeit; zudem gaben Kohlenhydrate Energie für den schweren arbeitsreichen Alltag. Doch wie sieht es im 21. Jahrhundert aus, wo der Gang zum Kopierer schon zum Highlight der täglichen Bewegung wird? Kann der Körper mit diesem Übermaß an Kohlenhydraten fertig werden?

Was macht die Lebensmittelindustrie heute mit den fettreduzierten Produkten, die nach nichts mehr schmecken?

Sie reichern diese häufig mit Zucker an. Wirft sich da nicht die Frage auf, ob wir unsere Aufmerksamkeit – wenn es um Gewichtsreduktion, Fettstoffwechsel und Gesundheit geht – nicht stärker auf die Kohlenhydrate richten sollten? Soll der Mensch mit Zuckerkrankheit (= Diabetes) weiterhin viele Kohlenhydrate essen, also den Zucker, der ihn krank gemacht hat?

Warum wenig Kohlenhydrate?

Der menschliche Körper ist stets bestrebt, seinen Blutzuckerspiegel auf einem möglichst konstanten Niveau zu halten. Normalniveau ist dabei 80-110 mg/dl. Kommt es durch eine Kohlenhydratzufuhr zu einem Überzucker, so reagiert die Bauchspeicheldrüse mit vermehrter Insulinproduktion, um die Kohlenhydrate zur Muskulatur zu transportieren oder in Fette umzuwandeln und zu deponieren. Zu hoher Zucker geht einher mit Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Leistungsabfall. Extrem zu hoher Zucker kann lebensbedrohlich sein (Sog. Hyperglykämie, Zuckerkoma). Zu niedriger Zucker hat in etwa dieselben Symptome. Nur reagiert der Mensch mit Hunger, bei extremem Blutzuckerabfall mit Heißhunger, die Alarmglocken schrillen! Auch ein zu niedriger Zucker kann lebensbedrohlich werden. Sollen wir jetzt wirklich einen Kohlenhydratanteil von 55 % verzehren und dabei den Körper aus seinem Blutzucker-Gleichgewicht bringen, indem wir die Insulinproduktion massiv anschieben?

In einer gesunden Ernährungsstrategie geht es letztendlich darum, Blutzucker- und somit Insulinspitzen zu vermeiden. Das erreicht man nur mit einer Senkung der Kohlenhydratmenge. Spannend dabei: Ein wesentlicher und wichtiger Aspekt der Low-Carb-Ernährung ist die automatische Reduktion der aufgenommenen Kalorienmenge, die durch ein anhaltenderes Sättigungsgefühl kommt. Isst man viel Kohlenhydrate (egal in welcher Form, also langkettig oder kurzkettig), so folgt der Blutzuckerspitze und der überschießenden Insulinfreisetzung nach dem Mittagessen ein Unterzucker, der Lust auf Kaffee und Kuchen macht. Gleiches Spiel wiederholt sich, dem Überzucker im Blut infolge des Kuchens / Stückchens zum Kaffee folgt ein Unterzucker mit mächtig Hunger am Abend. Hier eine kräftige Brotzeit, und nochmals springt die Insulinpumpe an, dessen erhöhter Spiegel dafür sorgt, dass die Fette über die Nacht hinweg in die Depots (Bauch und Hüfte) eingelagert werden. Und die längst überholte Empfehlung, 4-6 Mahlzeiten am Tag zu essen, heizt diesen Mechanismus zusätzlich an.

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