Medizin / Wissenschaft: Laufen und Hormone – shake your body
Muskelarbeit bringt die Hormonproduktion in Gang. Und dabei nicht nur vereinzelt, nein, es wird eine ganze Kaskade in Gang gesetzt. Diese schlagartige Überschüttung an diesen wertvollen Substanzen wiederum beeinflusst unser vegetatives Nervensystem genauso wie unsere Gefühle und unsere Psyche. Hormone werden als Glücksfabriken, Wellnessoasen und Arzneischränke in unserem Körper bezeichnet. Im Trainingsteil hast Du schon erfahren, welche Effekte bereits ein einziges Hormon, die Endorphine, in unserem Körper haben. In etwa gleicher Richtung arbeitet das bei Bewegung ausgeschüttete Hormon Serotonin, das daher gerne als der hauseigene Psychiater bezeichnet wird. Doch es sind noch eine Vielzahl mehr an Hormonen, die durch die Bewegung in Gang gebracht werden.
Allen voran seien hier die für uns enorm wichtigen Wachstumshormone genannt.
Denn sie fördern die Zellteilungsrate, was für den aktiven Menschen die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit des Organismus an sein Training bedeutet. Das sogenannte HGH (= Human Groth Hormone) schafft also die Voraussetzung für die Fitnessverbesserung. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt die körpereigene HGH-Produktion allmählich ab, was mit einem Verlust an Muskelmasse einhergeht. Die Bewegung bewirkt, dass der altersbedingte Verlust an diesem Hormon deutlich geringer ausfällt, was dann die hohen Leistungsunterschiede zwischen einem aktiven und einem inaktiven Senior bewirkt.
Und wenn wir schon bei der Muskelmasse sind: Sport bewirkt natürlich eine akute Änderung des Testosteronspiegels, dies jedoch in Abhängigkeit von Dauer und Intensität:
„Eine 45-minütige Beanspruchung auf die allgemeine aerobe dynamische Ausdauer bewirkt eine Testosteronspiegelanhebung von 7-21 %. Maximale Belastungen mit kurzer Dauer lösen nur eine geringe Testosteronreaktion aus, wohingegen Übertraining einen deutlichen Testosteronabfall bewirken kann“,
so Dr. Kern in der Ärzte-Woche*.
EPO ist durch den Missbrauch im Spitzensport bekannt und in aller Munde, doch zunächst ist EPO kein Medikament, sondern ein körpereigenes Hormon. Erythropoetin stimuliert das Knochenmark, neue rote Blutkörperchen zu produzieren. Diese neue Verstärkung, also die neu gebildeten Erythrozyten, bringen dann mehr Sauerstoff von den Lungen zu den Muskelzellen, was sich als längerfristigen Effekt in einer Leistungssteigerung bemerkbar macht. Der Körper dopt sich also durch sportliche Aktivität von selbst.
Ebenfalls ein dominantes und vor allem auch für die Psyche wichtiges Hormon ist Dopamin, eine Art Belohnungssystems für uns, ein Motivator für unseren Körper. Biochemisch gesehen ist Dopamin die Vorstufe von Adrenalin und Noradrenalin, zwei Gegenspieler, ersteres für die aktivierenden Systeme, letzteres, um wieder herunterzufahren und auf Regeneration und Ruhe umzuschalten. Hormonell läuft der Beginn von körperlicher Aktivität wie eine Stressreaktion ab: Der Adrenalinspiegel steigt, weswegen Herzfrequenz und Blutdruck ansteigen, um den Körper in Leistungsbereitschaft zu versetzen; die Atmung geht schneller und die Hände beginnen zu schwitzen. Bleibt die Intensität niedrig, ist das Training also eine längere lockere Ausdauereinheit, so sinkt der Adrenalinspiegel wieder und der Sportler schafft alle Voraussetzungen, ins „Flow“ zu kommen; diese Mechanismen sind auch der Haupteffekt der stressverarbeitenden und entspannenden Wirkung von körperlicher Aktivität.
Relativ neu und noch wenig bekannt ist das als „Sport-Hormon“ bezeichnete Irisin.
Es wurde von einer US-Forschergruppe um Bruce Spiegelmann und Dana-Farber Cancer* entdeckt und erstmals 2012 in der Zeitschrift „Nature“ beschrieben. Ursprünglich forschte die Gruppe an der Bedeutung des Proteins PGC1-alpha: Dies wird vermehrt nach sportlicher Aktivität im Muskel gebildet und scheint für verschiedene günstige Auswirkungen sportlicher Aktivitäten auf die Gesundheit verantwortlich zu sein. Im Mäuseversuch waren die mit diesem Protein behandelten Mäuse in gleichem Maße resistent gegen Adipositas und Diabetes wie die Mäuse, die zum Sport angetrieben wurden. Die Forschergruppe wollte jetzt herausfinden, wie diese Signale auf andere Körperzellen übertragen werden und stießen in weiteren Untersuchungen auf das Irisin. Es wird „nach sportlicher Aktivität in Muskelzellen gebildet. Es verwandelt weiße in braune Fettzellen“. Im Mäuseversuch bewirkte dieses Hormon bereits nach 10 Tagen eine Verbesserung der Blutzucker- und Insulinwerte, das Körpergewicht ging ebenfalls leicht zurück. Das Zielorgan von Irisin sind also Fettzellen, „die unter der Einwirkung von Irisin ihren Stoffwechsel von der Speicherung von Energie auf die Verbrennung von Energie umstellen. Dabei wandeln sich weiße in braune Fettzellen. Braune Fettzellen wurden erst vor wenigen Jahren bei Erwachsenen entdeckt. Vorher wurde vermutet, dass diese Fettzellen, die Neugeborene vor Unterkühlung schützen, mit dem Verlust des Babyspecks auf Dauer verloren gehen“.
Es sind noch eine Vielzahl weiterer Hormone, die durch den Sport ausgeschüttet werden. Zweifelsohne bist Du der „Barmixer“, der seinen körpereigenen Hormoncocktail durch körperliche Betätigung und sportliche Aktivitäten zusammenmixt. Eine Mischung, die Dich jung und sexy hält, die Dich glücklich und zufrieden macht und Dir mitunter einen geistig-emotionalen Höhepunkt beschert. Von welchem anderen Cocktail kann man das schon behaupten? Also nichts wie los!
*Literatur:
Kern, J.: „Hormone und Sport“. Ärzte-Woche 5/2008
„Irisin: Sport-Hormon bei Menschen entdeckt“. In: www.aerzteblatt.de