Medizin / Wissenschaft: Sind Frauen und Männer unterschiedlich trainierbar?

Bis zum Alter von 12 Jahren gibt es hinsichtlich der Trainierbarkeit keine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Doch dann kommt bei den Jungs der erste Testosteronschub, der eiweißaufbauende Wirkung hat und sich beim Heranwachsenden durch verstärkte Muskelbildung zeigt. Daraus ergeben sich dann in der Pubertät vor allem im Kraftbereich deutliche Unterschiede der Geschlechter, der dann im Alter zwischen 20 und 30 seinen Höhepunkt erreicht.

Doch wie sieht´s im Bereich der Ausdauer aus? Können Frauen die Männer bei Langzeitausdauerbelastungen irgendwann einholen? Brian Whipp und Susan Ward haben 1992 in der Fachzeitschrift „Nature“ den provokanten Artikel „Laufen Frauen bald schneller als die Männer?“ veröffentlicht. Nach ihren Berechnungen aus der Analyse der Weltrekorde in fünf olympischen Laufdisziplinen sollten sich die Laufzeiten in allen Disziplinen bis 2050 angeglichen haben. Ist das möglich? Unberücksichtigt bleibt bei den Berechnungen von Brian Whipp und Susan Ward, dass Frauen noch nicht so lange zu Langstreckenläufen wie dem Marathon zugelassen wurden. Bei geringerem Leistungsniveau können aber größere Fortschritte gemacht werden, was sich in einer Analyse der Zielzeiten zeigt.

Auch bei Ausdauerbelastungen spielt das männliche Sexualhormon, das Testosteron, eine entscheidende Rolle. Hier haben die Männer einen zehnmal höheren Anteil als die Frauen. Und mit einem hohen Anteil an stoffwechselaktiver Muskelmasse, die durch das Testosteron ermöglicht wird, lässt sich auch mehr Energie für den Körper gewinnen. Testosteron regt aber nicht nur das Muskelwachstum an, sondern auch die Bildung roter Blutkörperchen. Davon haben Männer zehn Prozent mehr Hämoglobin im Blut, der über die leistungsfähige Lunge angekommene Sauerstoff kann dann direkt in die Arbeitsmuskeln transportiert werden. Dadurch können Männer bis zu dreieinhalb Liter Sauerstoff pro Minute verbrauchen, bei Frauen liegt der Wert bei 2 Liter pro Minute. Frauen haben zudem im Vergleich zum Körpervolumen ein kleineres Herz.

Nun abschließend zur Frage, ob Frauen Männer einholen können, zitieren wir die Norwegerin Grete Waitz, die in den 70er- und 80er-Jahren zahlreiche Rekorde aufstellte: „Solange Frauen Frauen sind, können sie Männer nicht überholen“, sagt die Norwegerin.

Training: Frauen laufen anders als Männer?

Laufen Frauen anders als Männer? Warum sollte das so sein, sie haben doch auch nur zwei Beine, 10 Zehen und zwei Arme zum Schwingen? Natürlich gibt es Unterschiede im muskulären Anteil, die Männer sind als urzeitmenschliche Jäger mit 10-30% mehr Muskelmasse ausgestattet, der dafür ursächliche Testosteronspiegel ist höher. Laufen die Frauen durch den geringeren Muskelanteil und den um 10 % höheren Körperfettanteil schlaffer? Frauen haben auch eine andere Körperkonstitution, sie sind im Durchschnitt kleiner, haben schmalere Schultern und kürzere Extremitäten, der Körperschwerpunkt ist tiefer, das Becken ist breiter als beim Mann, X-Beine sind häufiger. Doch ist das nachteilig beim Laufen?

Frauen sind auf der Marathondistanz zwar langsamer als die Männer, doch der Unterschied hält sich in Grenzen. Die erfolgreiche Marathonläuferin Paula Radcliffe kommt mit Ihrer Weltbestzeit von 2:15:25 Stunden (2003 in Berlin) doch recht nah an Haile Gebrselassi (2:03:59, 2008 in Berlin) heran. Bestzeit ist aktuell 2:02:57 h, aufgestellt im letzten Jahr von Dennis Kimetto beim Berlin Marathon. Frauen sind für Ausdauerleistungen von der Natur her hervorragend ausgestattet. Das liegt an ihrem Stoffwechsel, der eine gute Ausdauer ermöglicht. Vor allem bei den Ultradistanzen kommen die Frauen immer näher an die Leistung der Männer heran. Das hat die Wissenschaft lange nicht erkannt; denn bis in die 70er Jahre wurde fast ausschließlich am Mann geforscht. Frauen waren sogar von einer Marathonteilnahme ausgeschlossen, denn es wurde angenommen, dass regelmäßiges Training und vor allem Langstreckenläufe eine Unfruchtbarkeit auslösen.

Der Leiter der Landesvereinigung Gesundheit in Niedersachsen geht anders an das Thema heran: Er konstatiert: „Wir wissen aus Studien und Befragungen, dass Frauen, die sich sportlich betätigen, vor allem gesund bleiben, ihrem Körper etwas Gutes tun und ihre Figur pflegen möchten, und das möglichst in netter Gesellschaft“. Die Gesundheit scheint eines der zentralen Motive für die sportliche Aktivität der Frauen zu sein. Die Sportmedizinerin und Professorin Korsten-Reck betont, dass Mädchen und Frauen eindeutig in puncto Gelenkigkeit im Vorteil sind. Ihr Bindegewebe ist dehnbarer, das ist vor allem gut für Turnen, Tanzen und Gymnastik. Frauen profitierten aber vor allen Dingen von dem ihnen eigenen Körpergefühl, sagt die Sportmedizinerin: „Mädchen entwickeln mit der einsetzenden Menstruation eine größere Sensibilität für ihren Körper und achten genauer darauf als Jungen, was ihnen guttut.“ Genau das sehen wir Woche für Woche bei der Stoffwechsel- und Leistungsdiagnose. Die Mehrzahl der Frauen trainieren intuitiv besser als die Männer.

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